Fachbücher verschlinge ich abends im Bett wie andere Krimis. Ich liebe es, einer Frage in Ruhe und Ausführlichkeit nachzuspüren. Hautnah zu erleben, wie der Autor die zur Frage passenden Geschichten erzählt, seine Erkenntnisse Zentimeter für Zentimeter ausrollt. Ich brauche es, die gewonnenen Erkenntnisse zu kauen, an meinem Erleben abzuprüfen, neu zu verknüpfen und in Strukturen zu gießen. Und ich genieße es, diese Gedanken mit Ihnen zu teilen. Auf diese Art Nähe mit Ihnen herzustellen. Damit Sie und ich uns weiterentwickeln. Damit wir diese Welt, Fundraising, besser verstehen. Damit wir uns, wir die Welt, leichter verändern können.
Nur passt so jemand wie ich, ein introvertierter Mensch, überhaupt ins Fundraising? In eine Branche, die so sehr auf Extrovertiertheit setzt? Eine Szene, die das Laute, Viele spürbar liebt? Meine Antwort leitet die Anwältin und Buchautorin Susan Cain mit ihrem TED-Talk ein. Darin stärkt sie Introvertierten, die gar nicht soooo selten sind, den Rücken, indem sie auf ihre besonderen Stärken hinweist.
Denken als Stärke der Introvertierten
Susan Cain unterscheidet introvertierte Menschen von schüchternen Menschen. Schüchtern ist in ihren Augen jemand, der das soziale Urteil über sich fürchtet und sich deshalb lieber erst gar nicht zeigt.
Mit dem sozialen Urteil Anderer haben Introvertierte allerdings kein Problem. Ganz im Gegenteil. Ihre Stärke ist gerade ihre Fähigkeit zum Alleine-Sein. Sie können es gut mit sich allein aushalten. Dabei fällt ihnen die Decke nicht auf den Kopf. Keineswegs. Stattdessen wandern sie fasziniert von einem aufregenden Gedanken zum nächsten. Sie denken. Mit voller Hingabe. Susan Cain, selbst eine introvertierte Frau, definiert Alleine-Sein nach ihrer Lebenserfahrung gar als den Beschleuniger aller Innovation schlechthin.
Wo also passen Introvertierte hin, um ihre Stärke des alleine Denkens einzubringen? Zum Vorteil eines Unternehmens, einer NPO?
Virtuelle Teams sind nicht für jedermann
Blicken Sie dazu in unsere Arbeitswelt. Home-Office, Zusammenarbeit über Ortsgrenzen und Zeitzonen hinweg sowie 24/7-Arbeistage werden immer normaler. Unsere Kommunikationstechnik ermöglicht uns Gruppenarbeit unabhängig von physischer Präsenz. Virtuelle Teamarbeit wird immer normaler, selbst mit Spendern und Kollegen.
Doch ein virtuelles Teams stellt besondere Anforderungen an die Teilnehmer. Denn Körpersprache und Mimik fallen oft weg. Ebenso verbindender Smalltalk vor oder nach den Meetings, gemeinsame Mittagessen, Flurfunk, ein kollegiales Bier zum Feierabend oder ein gemeinsamer Lauf am Wochenende. Das gefällt nicht allen. Deshalb sind virtuelle Teams nicht die erfolgversprechende Arbeitsform für jedermann.
Wie kann diese Arbeitsform dennoch hoch befriedigend für die Beteiligten sein und hervorragende Ergebnisse produzieren?
6 Profilbausteine von Teilnehmern virtueller Teams
Diese Frage beantwortet Keith Ferrazzi in seinem Whitepaper Rules of Engagement in a Virtual World mit dem Hinweis auf zwei Aspekte. Zum einen müssen die Teilnehmer bewusster als sonst üblich die zwischenmenschliche Basis herstellen und pflegen. Zum anderen sollten die Teilnehmer des virtuellen Teams bestimmte menschliche Fähigkeiten beherrschen und danach gezielt ausgesucht werden.
Den letzten Punkt vertiefe ich, indem ich 6 Kompetenzen aufzähle, die für Keith Ferrazi erfolgskritisch sind. Die Fähigkeiten sind:
Problemlösung - Probleme erst einmal allein lösen und danach im Team besprechen
Freundschaft - sich wenigsten einem Kollegen als gutem Freund tief persönlich öffnen
Gelassenheit - Mehrdeutigkeiten vom Chef und Kollegen aushalten
Ausdruck - sich klar ausdrücken und verlässlich mit den anderen kommunizieren
Großzügigkeit - im Umgang miteinander nicht alles auf die Goldwaage legen
Biss - trotz größerer Sendepausen der anderen Teammitglieder eigenständig am Ball bleiben
Nett, oder?, dass dies genau die Stärken von Introvertierten sind, die Susan Cain in ihrem TED-Talk sowie Manifest aufführt. Kurz, das virtuelle Team ist ein Eldorado für Introvertierte!