Ich kam in die Sitzung und legte los. Ganz nach Lehre der klassischen Strategieplanung hatte ich eine Herausforderung definiert, Zahlen und Statistiken dazu präsentiert und eine Blaupause zur Problemlösung ausgearbeitet. Alles war super wissenschaftlich. Schön akademisch. Die Entscheider waren begeistert. Erhebliche Gelder wurden fürs Fundraising frei gegeben. Halleluja! Mein Ziel war erreicht, ich freute mich sehr.
Doch nur zwei Wochen später erfuhr ich, dass die Gelder zwar ins Fundraising, aber in einen anderen als den von mir vorgeschlagenen Bereich fließen sollten. Diesen neuen Bereich sollte ich nun ruck-zuck als strategische Option präziser definieren. Was hier tun?
Eigene emotionale Klarheit finden
Zu aller erst musste ich meine eigenen Gefühle sortieren. Denn im ersten Moment erschien mir das Erlebte wie eine Rolle rückwärts im Flug.
Wollte ich mich ärgern oder lieber gleichgültig mit den Achseln zucken oder irgendetwas dazwischen? Ich entschied mich für Gleichmut, statt innerer oder äußerer Rebellion. Denn eine solche Rolle rückwärts habe nun schon häufiger bei Entscheidern erlebt.
Emotionales Handeln von Führungskräften akzeptieren
Mein Strategie-Lehrmeister Roger Martin merkt hier sehr gelassen an, dass Präsentationen mit vielen Zahlen und Statistiken Führungskräfte zwar zuerst beeindrucken, sie aber kaum nachhaltig beeinflussen. Nach seiner Erfahrung entscheiden sie weniger wie echte Wissenschaftler, sondern eher wie Vollblutmenschen. Das heißt: Sie entscheiden emotional.
Doch ihre Emotionalität schließt nicht aus, bei der Strategiefindung konsequent wissenschaftliche Prinzipien zu nutzen. Ihre Emotionalität verlangt sie geradezu!
Wie sieht eine solche Strategiefindung nach Roger Martin dann aus?
Sie besteht aus mehreren Schritten, die ich für meine Aufgabe auf fünf eingedampft habe. Diese Abfolge hat mir geholfen, in die Vorlage zu gehen:
Nette Geschichten zum Erfolg erzählen
Den Anfang machen kreative Hypothesen. Mindestens zwei, die sich gegenseitig ausschließen. Die Hypothesen sind im Kern nichts anderes als nette Geschichten, die kurz und knapp beschreiben, wie ein Unternehmen Erfolg haben könnte. Statt Probleme zu kennzeichnen, schaffen sie strategische Möglichkeiten.
Meine drei Erfolgsgeschichten bestanden aus Namen für Modelle, die ich mit Schlagworten weiter auskleidete.
Die erste folgte dem Blick von innen nach außen. Ich beschrieb, was die Organisation besonders gut kann und in Teilen des Marktes besonders gefragt ist.
Die zweite Geschichte richtete den Blick von außen nach innen. Ich konzentrierte mich auf Marktlücken und unbefriedigte Bedürfnisse.
Für die dritte ging ich von weit außen nach innen. Ich erzählte, wie wir A-Player im Markt sind.
Bedingungen definieren
Jetzt müssen die Bedingungen definiert werden, die erfüllt sein müssten, damit jede der beschriebenen Geschichten wahr werden kann.
Über diesen Kniff wird jeder skeptische Einwand, jedes KO-Kriterium, jeder Kritikpunkt als Annahme, die wahr werden muss, festgehalten. Damit können sich alle, die an der Strategiefindung beteiligt sind, emotional und rational ganz auf die betrachtete Möglichkeit einlassen.
Über diesen Schritt lassen sich Prüfsteine für einen Validitätstest finden.
Für meine Aufgabe definierte ich sechs Bedingungen pro Modell.
Hindernisse identifizieren
Aus diesem bunten Strauß an Bedingungen muss nun diejenige identifiziert werden, die das größte Hindernis darstellt, damit die Geschichte Wirklichkeit wird. Anders formuliert: Jetzt muss der Prüfstein gefunden werden, der mit der geringsten Wahrscheinlichkeit umsetzbar ist.
Denn - lässt sich diese eine Hürde nehmen, lässt sich auch jede weitere überspringen.
Sie ist der Lackmustest und absolut erfolgskritisch.
Testlauf aufsetzen
Danach schlägt Roger Martin vor, für dies Hindernis einen spezifischen Test zu definieren und durchzuführen. Hier schlägt klar erkennbar sein Wissenschaftler-Herz, das bei Auf-gut-Glück-Aktionismus allergisch reagiert.
Hier sollte immer das Mitglied den Lead bei der Testentwicklung und –durchführung haben, das in Bezug auf eine Bedingung die meisten Bedenken äußerte.
Entscheiden und umsetzen
Nach den Testläufen heißt es, die Tests und die darin überprüften Bedingungen auszuwerten, richtig zu entscheiden und zügig umzusetzen.
Auf die Diskussion meiner strategischen Geschichten, benannten Hindernisse und Testläufe, ihre Weiterentwicklung, Durchführung, Entscheidung und Umsetzung freue ich mich sehr.