Nach 30 Sekunden knallte sie einfach den Hörer auf die Gabel. Das Gespräch war beendet. Der Ton von Anfang an eiskalt. Die Sätze kurz und abgehackt. Die Großspenderin war absolut verärgert, nahm ihre Spendenzusage zurück. Es war ein fünfstelliger Euro-Betrag. Mit der Überweisung hatte sie schon seit Monaten gehadert, den benannten Zeithorizont immer wieder verstreichen lassen. Jetzt, mit einem Befreiungsschlag, schuf sie Fakten.
Abgewatscht saß ich da.
Früher hätte ich spontan im Selbstgespräch gesagt: Du mich auch. Doch im professionellen Kontext ist das völlig unangebracht. Gerade im Fundraising geht es darum, in Kommunikationsschleifen zu bleiben. Den Faden gerade eben nicht abreißen zu lassen. Sondern immer wieder Anknüpfungspunkte zu finden und Türen zu öffnen. Grundlage dazu ist das Bedürfnis des Großspenders nach Veränderung, sein intrinsisches Interesse.
Wie also jetzt mit dieser Demütigung gestalterisch umgehen, was daraus lernen?
Traurigkeit zulassen
Im Laufe der Jahre habe ich für mich gelernt, dass ich Kränkungen als solche benennen muss. Wenigstens vor mir. Zu tun, als ließe mich das Erlebte kalt, überfordert mich. Ich muss mir eingestehen, dass mich das Verhalten des anderen verletzt hat. Ich muss mich verletzlich machen. Erst dann finde ich zu einem konstruktiven Umgang damit. Denn wirklich ist, was wirkt. Und solche bewussten Schärfen wirken bei mir.
Schärfe verstehen
Nur mit diesem Eingeständnis bin ich überhaupt bereit und fähig, den anderen verstehen zu wollen. Ich nehme den anderen und mich gleichermaßen ernst.
In meinem Beispiel war der Hintergrund für die Verärgerung der Großspenderin ein Brief meiner Organisation an ihre vor Jahren verstorbene Mutter.
Gut, den Ärger darüber konnte ich zum Teil nachvollziehen.
Die Mutter bekam seit Jahren von uns Post, ihren Todesfall hatten wir nicht dokumentiert. Dazu hatten wir keine offizielle Meldung erhalten.
Spenderverhalten relativieren
Das Verhalten der Spenderin war grob. Unschön.
Und gleichzeitig musste ich mir eingestehen, dass ich in meinem Leben zu Dienstleistern auch schon mal grob war. Als Großspender Fundraiserin bin ich nichts anderes als eine Dienstleisterin. Also erlebte ich hier nur ein Stück ausgleichender Gerechtigkeit? In gewisser Weise – Ja.
Der Leitsatz eines Freundes kam mir wieder in den Sinn. Er heißt `Demütige nie einen Menschen´. Für diese Erinnerung war ich dankbar.
Entschuldigung erbitten
Deshalb fiel es mir dann einfach, um Entschuldigung dafür zu bitten, die Großspenderin verärgert zu haben. Dazu nutzte ich diese fünf Elemente.
In dem Brief bat ich nur um Verzeihung. Ich verzichtete bewusst darauf, auf den Hinweis der Großspenderin einzugehen, dass ihr Nicht-Spenden nur für die Jahr gilt.
Damit, so meine Einschätzung, hätte ich sie überfordert.
Intrinsisches Interesse suchen und loslassen
Denn die Dame tut sich grundsätzlich schwer damit zu spenden. Es ist nicht ihre Herzensfreude. Fotoberichte über das, was sie an Gutem bewirkt, mag sie. Doch die Reportgen öffnen erkennbar nicht ihr Herz. Das taten bislang Vor-Ort-Besuche ebenso wenig wie meine Besuche.
Deswegen besteht die einzige Chance, wieder bzw. überhaupt zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen, darin, ihre wahren Bedürfnisse zu erfassen. Ist es das, was meine Organisation tut? Oder möchte sie lieber etwas anderes unterstützen, wenn überhaupt? Falls es etwas anderes ist, so sollte sie ihrer inneren Stimme folgen. Bei dieser Entscheidung würde ich sie sogar bekräftigen, damit ihr Handeln auf einer robusten Basis steht.
Diese Ehrlichkeit dürfen meine Großspender von mir als Fundraiserin erwarten.